Donnerstag, 18. Juni 2009

Sich zu Tode chatten


So stellt man sich einen Chatroom vor: Anonym, die Teilnehmer durch Alias-Namen geschützt, online miteinander verbunden und deshalb in der Lage sich spontan über alles auszutauschen, was ihnen durch den Kopf geht, Belanglosigkeiten zumeist: Mir geht es gut, wie geht es dir? Das englische Wort to chat heißt schwatzen.

Vielen geht es aber nicht gar gut: Sie verzweifeln an der Schule, den Eltern, der Belanglosigkeit ihres Daseins. Wenn sie sich im Internet mit anderen austauschen, um ihre Sorgen loszuwerden, ist es kein Geschwätz, sondern Ausdruck ihrer existentiellen Not. Dann fallen bittere Sätze: „Ja, ich wollte mich schon umbringen!“ Und anklagende: „Die Jugend hat keine Ideale mehr, für die sie kämpft.“

Kommunikation ist aber keine Einbahnstraße, selbst dann nicht, wenn sich ein Chat-Forum die Regel gibt, nur zuzuhören, dem anderen keine Ratschläge zu geben. Mit jemandem zu reden, heißt immer auch den anderen beeinflussen, und so wird aus dem Chat-Forum, das die Theatergruppe der Klasse 11a in der Aula unserer Bühne inszenierte, schnell ein böses Spiel, aus dem Gedanken an den Tod bitterer Ernst und zurück bleiben Sätze voller Hoffnungslosigkeit.

Wie geht das überhaupt, einen Chatroom inszenieren, bei dem sich die Teilnehmer ja nicht sehen und getrennt voneinander kommunizieren? Frau Guder-Späth und ihre Gruppe fand eine Lösung, die eine beklemmend intensive Stimmung in der Aula enstehen ließ, passend zu Thema und Inhalt des Stücks: Mehr monologisierend als miteinander kommunizierend sprachen die Chatteilnehmer ihre Sätze von weißen, auf Podesten stehenden Stühlen aus, maskenhaft starr und unbeweglich. Im Chat gibt es keine action. Im Chat gibt es nur das gesprochene Wort. Und das kann furchtbar sein.

P.S.: Das Stück wird am Donnerstagabend noch einmal gespielt (19:00 Uhr). Bitte kommen – sehenswert!

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